Wie ticken Männer im mittleren Alter? Wie blicken sie auf ihr bisheriges Leben und was würde ihr junges Ich über sie heute sagen? In unserer Köpfe-Rubrik protokollieren wir Momentaufnahmen.
Ich mach den Job beim Sonnenstrahl e.V. jetzt seit drei Jahren. Und er ist für mich jeden Tag Motivation aufzustehen, hinzugehen und etwas Sinnvolles zu tun. Wenn du diese Familien und Kinder erlebst und siehst, was du bewirken kannst mit deinem Handeln – das ist eine unheimliche Bereicherung für mein Leben.
Wir kümmern uns um krebskranke Kinder, Jugendliche und deren Angehörige – oft über viele Jahre. Wir machen auch viel Aufklärung, veranstalten Camps und sind Anlaufpunkt für die Familien bei allen Fragen. Ich bin Geschäftsführer des Vereins, meine Aufgaben sind Fundraising, also Spenden einzuholen, und die Geschäfte zu leiten. Nebenbei bauen wir noch ein neues Projekthaus mit fünf Etagen, welches im Dezember 2025 fertig sein soll.
Oft werde ich gefragt, wie ich damit umgehe
Vorher war ich 25 Jahre lang Geschäftsführer bei einer Sport-Center-Gruppe mit fünf Studios, so ein richtig großer Betrieb mit über 100 Angestellten. Ich habe zusätzlich selbst noch eines der Studios geleitet. Ursprünglich bin ich gelernter Koch und war auch einige Jahre in dem Beruf tätig. Aber als das erste Studio in Dresden neu aufmachte, habe ich gleich gefragt, ob ich nicht mitarbeiten kann. Über die Jahre und mit viel Selbstdisziplin, Weiterbildungen und Learning-by-doing bin ich zum Geschäftsführer der Gruppe aufgestiegen.
Geld einnehmen und verdienen ist das eine, klar. Aber wenn du ein Kind siehst, das heute im Rollstuhl sitzt und ein halbes Jahr später beim Familiennachmittag die Kletterwand hochklettert … Das gibt dir einen Sinn! Wir bringen viele Kinder dahin, dass sie irgendwann wieder ein neues Leben führen können.
Ja, wir sehen auch Kinder im frühen Alter gehen. Das ist nicht einfach. Auch dafür sind wir da, die Angehörigen dann zu begleiten und zu unterstützen. Oft werde ich gefragt, wie ich damit umgehe. 2012 ist meine Schwester an Leukämie gestorben. Meine Familie und ich haben sie bis zum Schluss begleitet. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich den Tod live erlebt habe. Meine Einstellung heute dazu ist, dass ich mit dem Tod im Reinen bin. In Deutschland gibt es leider diese Tradition schwarz zu trauern, statt zu feiern, wie es in anderen Kulturen der Fall ist. Meine Meinung: Wir sollten bunt statt schwarz tragen.
Vorher war ich so ein Arbeitstier
Ich selbst bin dem Tod schon zweimal von der Schippe gesprungen. Einmal als vierjähriger Junge mit einem geplatzten Blinddarm. Dann mit fast 40 wieder: Darmverschluss. Das hatte mit der Kinderheits-OP zu tun. Vom Arzt gleich ab ins Krankenhaus, auf den OP-Tisch. Es gab dann Komplikationen, das willst du nicht erleben. Das war wieder ganz knapp, da denkst du schon mal über dein Leben nach. Trotzdem bin ich dann erstmal in den alten Job zurück – das Hamsterrad hatte mich schnell wieder.
Die Pandemie hat schließlich alles verändert. Plötzlich war Ruhe. Die Studios waren geschlossen, ich saß zu Hause und konnte nichts tun. Das war richtig schwer für mich, vorher war ich so ein Arbeitstier, war sieben Tage die Woche beschäftigt. Aber in der Zeit der Pandemie habe ich das erste Mal richtig gelernt, mit mir selbst auszukommen. Heute kann ich auch allein in Urlaub fahren und genieße das sehr.
Ich wollte all die Jahre immer noch mal etwas anderes machen – dafür war aber nie Zeit. Als Ende 21 die letzte Phase der Pandemie war, sagte meine Frau: Du, die Geschäftsführerin des Sonnenstrahl e.V. hat den Verein verlassen. Wir kannten den Verein, hatten ihn viele Jahre immer wieder unterstützt. Da habe ich gewusst: Das ist mein Ding. Was ich heute wirklich verrückt finde: Dieser Job hat mich gefunden!
Ich lasse vieles auf mich zukommen
Ich muss mit Mitte 50 niemandem mehr etwas beweisen und lasse vieles auf mich zukommen. Alles, was wir im Verein tun, kommt zu uns. Wenn ich offensiv denke: „Den müsste ich mal treffen und nach Spenden fragen!“, funktioniert das meistens nicht. Aber die Firmen, die von selbst anfragen, daraus entsteht ganz viel. Das heißt nicht, dass sie die Arbeit jetzt stressfreier ist. Im Gegenteil! Ich mache jetzt mehr als vorher, aber ich merke es meistens nicht.
Auch meine Freizeit ist heute ungeplanter und ich lebe viel mehr in den Tag hinein. Früher war ich ganz anders strukturiert – spätestens Silvester war der Urlaub für das ganze Jahr entschieden. Das bekomme ich jetzt nicht mehr hin. Ich weiß doch im Winter nicht, wie ich mich im Sommer fühle! Ich verbringe auch wirklich gern Zeit mit meiner Frau und meinem Sohn, der inzwischen schon studiert.
Wenn ich heute überlege, wie ich mit 18 auf so nen 56-jährigen Typen gucken würde, würde ich sagen: Boah! Weil sich auch so viel verändert hat! Ich bin ein DDR-Kind, habe den Mauerfall und Systemwechsel miterlebt. Trotzdem: Ich würde es wieder so machen, vielleicht alles etwas schneller. Jedenfalls würde ich wohl nicht mehr 25 Jahre nur an einem Ort arbeiten, eher mehr wechseln und ausprobieren.
Heute sage ich: Es war schon richtig so. Jetzt kann ich andere Dinge bewegen. Und dafür bin ich sehr sehr dankbar. Protokoll: Peter Stawowy