Klaus, 60, Nürnberg: „Ich bin zu jung, um alt zu sein“

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Wie ticken Männer im mittleren Alter? Wie blicken sie auf ihr bisheriges Leben und was würde ihr junges Ich über sie heute sagen? In unserer Köpfe-Rubrik protokollieren wir Momentaufnahmen.

Ich bin im Juli 60 Jahre alt geworden. Das habe ich groß gefeiert mit dem einzigen Auftritt meiner Band, den es jemals gab. Ich spiele Schlagzeug in so einer Alt-Herren-Hard-Rock-Band.

Wir haben in meinem vollen Wohnzimmer angefangen – hinterher war es leer. Die Leute waren freundlich, die haben gesagt, es war schon okay, aber es war einfach zu laut. Man kennt ja die Gitarristen: Die sagen, wem es zu laut ist, der ist ne „Sissi“! Die sind der Meinung, man könnte Kissen vor die Boxen hängen, aber sie können auf keinem Fall die Lautstärke runter drehen. Weil: Wir brauchen ja den verzerrten Sound!

Mit 60 schon Rentner

Ich würde sagen, ich bin aktuell in einer Findungsphase. Ich bin mit meinen 60 Jahren schon Rentner. Vorher hatte ich eine bedeutende Managementfunktion in der Rechtsabteilung eines großen Konzerns. Als mein Chef gegangen und ein neuer gekommen ist, hat der seinen Juristen mitgebracht. Das ist so üblich in dem Business.

Dann gab es die Gelegenheit zur Altersteilzeit. Seit dem 1. März bin ich Zuhause. So richtig kann ich noch nicht sagen, wie sich das anfühlt. Ich denke mir: Das ist ja ein großes Glück, das ich so früh aufgehört habe. Ich hab ja jetzt noch Zeit. Aber es macht mich auch ganz schön unruhig.

Wenn man ins Berufsleben startet, sieht man einen Gipfel, da will man hin. Irgendwann ist man Mitte 50 und irgendwie oben. Da sieht man ein Kreuz unten stehen – und ist vielleicht in einer Midlife-Crisis oder so. Ich gehe also jetzt auf dieses Kreuz zu, das ist das letzte Drittel meines Lebens.

„Ich wollte ein angenehmes Leben“

Und da frage ich mich: Wie will ich das verbringen? Was mache ich jetzt?

Ich dachte eigentlich, es reicht mir völlig, wenn ich jetzt meinen alten Hobbys nachgehe. Alte Freundschaften aktiviere, Dinge mache, die mir Freude machen, ein bisschen im Garten arbeiten… Das hörte sich vorher richtig gut an!

Ich wollte einfach ein angenehmes Leben. Aber ich bin jetzt total getrieben von den vielen ToDos auf meiner Liste, was ich mir vorgenommen habe. Das muss ich irgendwie ändern. Wenn ich jetzt so lebe, wie ich mir das gedacht habe, stellt sich irgendwie so ein bisschen Hausfrauenfrust ein.

Weil: Mir fehlt die Erfüllung.

„Man hat auf mich gehört“

Und ich frage mich: Worin bin ich gut? Wenn es das Schlagzeug wäre, wäre ich sicherlich ganz woanders damit. Ich bin Jurist, aber als Rechtsanwalt…. bin ich da wirklich gut drin?

Was ist also das, was mir Erfüllung gibt?

Im Berufsleben, da hatte ich Erfüllung. Da bin ich gereist, habe Vorträge gehalten, da habe ich in Meetings beeindruckt. Man hat auf mich gehört. Ich bin vom Typ her so, ich will immer eine kleine Bühne haben. Mein Chef hat mal gesagt: Sie tragen ihr Anderssein wie eine Monstranz vor sich her. Das konnte ich mir auch erlauben.

Meine Frau hat gesagt, sie steht nicht als mein Publikum zur Verfügung. Sie sieht das mit Sorge, dass ich jetzt hier zu Hause sitze – so ein bisschen wie bei Papa ante Portas. Abgesehen davon, dass es eine Gerechtigkeitsdiskussion gibt. Sie geht ja noch arbeiten.

„Das ist jetzt also die dritte Phase meines Lebens“

Ich habe mal gelesen, es gibt so vier Rentnertypen: Den Weitermacher, also den Anwalt oder Arzt, die etwas zurückstecken, aber am Ende noch weitermachen. Den Anknüpfer, der in Griechenland schon angefangen hat, Wein anzubauen. Oder eine Galerie gegründet hat. Die wechseln dann einfach. Der dritte Typ ist der Befreite, der kümmert sich dann um Enkel und den Garten. Und der vierte Typ ist der Nachholer, der fängt halt noch mal an zu studieren… oder macht einen Segelflugschein oder so.

Also, der Weitermacher bin ich nicht. Anknüpfer, da habe ich nix. Befreiter… Das dachte ich eigentlich. Aber ich habe bislang keine Enkel… und nur der Garten? Und Nachholer? Also, jetzt noch mal zu studieren… das reizt mich irgendwie nicht.

Das ist jetzt also die dritte Phase meines Lebens. Vielleicht mache ich auch noch mal was Berufliches, eine Ausbildung als Coach oder so. Dann kann ich jungen Leuten bei dem Berufseinstieg helfen.

Oder ich arrangiere mich mit dem, was ich habe, und bin zufrieden.

Aber: 60 Jahre ist doch eigentlich zu jung, um alt zu sein!

Luxusproblem

Ich weiß schon, das klingt wie ein Luxusproblem. Aber ich hätte nicht gedacht, dass mir das alles so schwer fällt.

Was mein 18-jähriges Ich über mich heute sagen würde?

Coole Socke! Und zu meinem Thema mit der Rente würde es sagen: Genieß das Leben! Also versuch’ jetzt nicht noch irgendwo Erfüllung zu finden oder so. Sondern: Mach Party!

Vielleicht mach ich das auch jetzt erstmal!

Protokoll: Peter Stawowy

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