Marina ist 29, Single, happy. Und sie datet schon länger Männer im „mittleren Alter“. Mit gleichaltrigen kann sie nichts anfangen, das hat sie schon früh gemerkt. In ihrer Kolumne gibt sie uns Einblicke in ihre Begegnungen. Aber Achtung: Parallelen mit der Wirklichkeit sind reiner Zufall!
#92 Marco
Andreas und ich wandern durch die vollen Straßen. Es ist Sommer, es ist Mitternacht und immer noch warm. Es ist Stadtfest.
Wir haben bereits die halbe Nacht durchgetanzt und sind auf der Suche nach dem nächsten kühlen Getränk.
Wenn wir unterwegs sind, haben wir unsere ganz eigene Dynamik. Wir sind zwar so ein halbes Pärchen-Ding, aber auch nicht offiziell.
Daher sticheln wir uns ein bisschen gegenseitig, wer wen wohl klarmachen wird.
Das Ende des Abends ist aber immer gleich. Wir schaffen es gemeinsam heim, sind beide gut angetrunken, aber nicht zu sehr.
Wir üben Natur-Doku
Ein kurzes Rangeln im Flur und schon sind wir die unnötigen Dinge los, die wir gleich eh nicht mehr benötigen.
Danach üben wir den Hauptteil einer jeder Natur-Doku. Wir finden uns so richtig in unsere Rollen ein, bevor wir übermüdet und verschwitzt neben- oder aufeinander einschlafen.
Aber nochmal zurück.
Ping. Mein Telefon meldet Empfang und ich habe eine neue Nachricht.
„Ey Kleines, wo steckst du? Sitze vorm Habanero.“ Marco hat geschrieben. Ich freu mich!
Ein klares Ziel vor Augen
Wir hatten uns nicht verabredet, aber ich würde ihn gern bei dieser Gelegenheit sehen. Das Habanero ist eine der Bars, in die Marco gerne geht, wenn er mit seinen Jungs unterwegs ist.
„Los Andreas, wir müssen weiter!“ rufe ich über die Schulter und habe ganz klar mein Ziel vor Augen. Das Habanero liegt nur zwei Straßen von hier entfernt.
Wenige Minuten später biegen wir um die Ecke und ich erkenne Marco schon von hinten.
Die Statur, seine Haare, alles. Ich sprinte los und überfalle ihn mit ordentlich Dopamin im Blut. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen!
„Eyyy da ist sie ja“ , sagt Marco, drückt mich fest an sich und hebt mich hoch. Die Zeit steht still.
Neues Bier muss her
Beim Absetzen verschüttet er leider sein Bier komplett und es ergießt sich in die Straßenbahngleise. Ein trauriges Bier. Ein neues Bier muss her.
„Los, wir holen neues!“ Grinse ich ihn an und ich ziehe ihn auch schon direkt hinter mir her.
Wir kommen gleich dran und ich bestelle drei große Bier. Andreas bekommt auch eins, beschließe ich.
Er quatscht seelenruhig draußen mit so einem Pärchen. Ich kann ihn in Ruhe da lassen und mit Marco ein bisschen über die alten Zeiten plaudern.
Ich zahle die Becher und trinke aus meinem einen kleinen Schluck ab. Kindisch, wie ich manchmal bin, lasse ich mir einen Schaumbart stehen und fange an zu lachen.
Er küsst mich. Mitten an der Bar
Ich fühle mich albern, aber ich war auch lange nicht mehr so gut gelaunt!
Marco lacht mit mir.
Marco hört auf zu lachen, guckt ernst.
„Was?“ Ich höre auch auf zu lachen.
Er küsst mich. Mitten an der Bar.
Mir wird heiß, die Welt dreht sich gerade. Das ist eine Wendung, die in meiner wildesten Fantasie nie passiert wäre.
Ich hole einige Male tief Luft und schaue in den Nachthimmel und dann zur Marco. Wir sitzen draußen vor der Bar und ich habe so viele Fragen auf einmal.
„Was war denn das?“
Warum hast du nie was gesagt?
„Marina, du weißt doch…“ stammelt er „ …d-du bist mein Monsterchen.“ Er schaut ganz bedröppelt in den Plastikbecher und trinkt einen großen Schluck. Vermutlich pocht ihm sein Herz bis zum Unterkiefer.
„Aber… warum hast du nie was gesagt?“
„Wann denn?“
„In all den Überstunden, die wir gemeinsam abgesessen haben. Beim Feierabendbier. Per SMS. Die Weihnachtsfeier?“
„Ach ich weiß auch nicht. Hab mich nie getraut.“
„Bist du bescheuert? Du hast ein Kind und deine…“
War nie so geplant
„Ja ich weiß. War alles nie so geplant.“
„Aber, ich, ich meine du warst seit immer mit deiner Freundin zusammen. Seit ich dich kenne. Ich habe die Windeltorte gebastelt und Geld all unserer Kollegen dafür eingesammelt. Du bist Vater geworden. Die Sache mit meinem Ex…“
Meine Gedanken überschlagen sich nun nur noch.
„Ich weiß. Habs gern gemacht. Hab’s für dich gemacht.“
Ich schaue ihn entgeistert an und will eigentlich nur noch eins: Natur-Doku mit Andreas.
Marco, 45, wir waren Kollegen und ich war mal heimlich verknallt in ihn. Der Kuss passierte erst Jahre später, als wir nicht mehr beruflich vereint waren. Er ist jetzt verheiratet, zwei Kinder und hoffentlich glücklich. Das wünsche ich ihm.
