Die angeblich so bösen Medien, die uns manipulieren, sind unser großes Problem. Die Politiker sind völlig unfähig und inkompetent. Wirklich?
Mein lieber Freund…
Ich muss zugeben, ich bin es etwas leid, von dir mit „politischen Inhalten“ via WhatsApp versorgt zu werden. Ständig schickst Du mir Links zu Inhalten, die stets in die gleiche Richtung zielen:
Die angeblich so bösen Medien, die uns manipulieren, sind unser großes Problem. Die Politiker da oben agieren angeblich völlig unfähig und inkompetent, wir bräuchten eine andere Führung. Und das Gendern ist für Dich der Untergang unserer Kultur.
Immer öfter kommen von Dir Inhalte, die die Demokratie als das eigentliche Problem identifiziert haben – die sei ausgehöhlt und es gäbe keine richtige Freiheit mehr.
Ich bin jetzt etwas müde, darauf einzugehen. Ich freu mich ja, wenn wir diskutieren und ich das Gefühl habe, Du willst meine Meinung wissen. Ich diskutiere wirklich gern.
Aber ich komme mehr und mehr an den Punkt, dass Du mir mit dieser ganzen Negativität nur Aufmerksamkeit abziehst, ohne wirklich offen für meine Argumente zu sein.
Bin ich offen für deine Argumente?
Ich habe schon überlegt, ob ich vielleicht nicht richtig offen für Deine Argumente bin. Da könnte etwas dran sein: Ich glaube tatsächlich, dass es keine bessere Staatsform als die Demokratie gibt – bei all ihren Schwächen. Ich habe mich sehr viel mit Geschichte befasst und bilde mir ein, mich in dem Themengebiet sehr gut auszukennen.
Könnte es sein, dass hinter Deiner ganzen Wut und Deiner Ablehnung auf unsere Gesellschaft noch etwas ganz anderes steckt?
Ich beobachte in jüngerer Vergangenheit einige männliche Bekannte, die beruflich eine Demütigung erfahren haben und seitdem zunehmend auf die Gesellschaft und „die Politik“ schimpfen.
Ich habe vor einer Weile mal Deine Frau getroffen, sie war unterwegs mit Eurem kleinen Kind. Das wirkte sehr fröhlich, lachte und tanzte über das Straßenfest. Als ich fragte, wo Du bist, meinte Deine Frau: „Demonstrieren“.
Wie hält das deine Frau aus?
„Wie hält Deine Frau eigentlich Deine andauernde Negativität und Dein Geschimpfe auf das System und die Medien aus?“, habe ich Dich dann abends im Chat gefragt. Die Frage hast Du mir bis heute nicht beantwortet.
Und noch eine Frage hast Du mir bis heute nicht beantwortet: Was hält Dich in dieser Gesellschaft eigentlich davon ab, Dich zu verwirklichen? Du kannst doch wirklich alles sagen und tun und lassen, was Du willst?!
Du hast Dich aber offenbar dagegen entschieden, Deine Freiheit wirklich anzunehmen.
Du hast Dich aber offenbar dagegen entschieden, Deine Freiheit wirklich anzunehmen. Deine freiwillig gewählte Opferrolle scheint Dir wichtiger zu sein, das Dagegensein scheint Dir Identität zu geben. Ehrlich: Das ist einfach nur noch anstrengend.
Ich schätze Dich wirklich sehr, ich mag Dich und ich weiß zu würdigen, dass Du meine Meinung wissen willst und offenbar auch schätzt. Aber für mich bist Du ein alter, motzender Jammersack.
Ich bitte Dich, noch einmal in Dich zu gehen und Dir genau zu überlegen, was Dich eigentlich daran hindert, ein glückliches und erfülltes Leben zu leben. Lass mir Dir nur diesen einen Hinweis geben: Die anderen sind es nicht.
Alles Gute
Dein Arthur
In seiner Kolumne “Mein lieber Freund” schreibt Arthur unregelmäßig an Freunde und Bekannte. Arthur ist bewusst ein Pseudonym. Die Adressaten sind nicht völlig frei erfunden.
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