Wenn du niemanden zu daten hast, dann date dich selbst. Klingt armselig, kann aber sehr heilsam sein – und ganz schön viel Spaß machen.
Genau, lieber Autor – denkst du dir vielleicht jetzt gerade beim Lesen. Streu doch noch Sand in die tiefen Wunden der einsamen und unglücklichen Herzen in der Mitte ihres Lebens! Der Datingmarkt verschmäht sie und jetzt kämpft jeder mit seinem Selbstbewusstsein. Also sich selbst daten und dann alleine rausgehen oder was? Und wie der einsame Wolf mit einem Bier nach dem anderen am Tresen sitzen. Da wird man ja noch deprimierter, als man eh schon ist.
Klingt zumindest im ersten Moment so, aber lasst uns das mal in Ruhe aufdröseln. Denn sich selbst zu daten, kann weit schöner sein, als es zunächst klingt. Ja, sogar als jemand anderen zu daten, wenn es der oder die Falsche ist, was man ja vorher selten weiß.
Was spricht dagegen, sich selbst zu daten?
Und zunächst einmal spricht ja nichts dagegen, sich selbst zu daten und an anderen Tagen jemand anderen. In beiden Fällen aber kann man es sich ruhig mal einen Abend mit sich selbst gemütlich machen.
Was tun wir für gewöhnlich bei einem Date?
- Wir verbringen Zeit mit jemandem, den wir irgendwo interessant finden.
- Wir horchen mal nach, wie es der Person so geht.
- Wir stellen Fragen wie: Woher kommst du? Wohin fährst du gerne in Urlaub? Was sind deine Träume und hast du sie alle schon erreicht? Wo siehst du dich selbst in fünf Jahren? 😉
- Wir essen oder trinken etwas Gutes.
- Wir landen hinterher im Bett – entweder zu zweit oder allein. 😉
- Wir sind ausnahmsweise mal nett zu jemandem…
So, und jetzt mal die Fragen an dich gestellt, lieber Leser. Wann hast du dir zum letzten Mal Zeit für dich genommen? Wann hast du dich zuletzt mit deinen Träumen befasst, welche davon du erreichen willst und vielleicht schon hast? Wie nett warst du eigentlich in letzter Zeit zu dir selbst? Hast du dir mal etwas Gutes getan oder im Stress des Alltags einfach nur noch funktioniert?
Nimm dir Zeit für dich
Wenn es dir ähnlich geht wie mir, dann ist wahrscheinlich für alles andere Zeit, nur nicht dafür. Wir rauschen so durchs Leben. Arbeiten, bilden uns fort, gehen unseren Freizeitbeschäftigungen nach und wollen auch da immer besser werden, essen schnell noch was und legen uns dann schlafen. Ganz selten, wenn wir merken: mir wird das alles gerade zu viel, ich werde den Stress nicht mehr los, ich schlafe schlecht – das ist der Moment, an dem Lebenscoaches, Psychologen und eigentlich alle vernünftigen Menschen dazu raten, mal in sich reinzuhorchen. Und seien es nur fünf Minuten am Tag.
Ich hatte schon sehr schöne Dates in meinem Leben und – wie jeder andere sicher auch – welche, die ich mir im Nachhinein gerne geschenkt hätte. Es hat dann einfach nicht gepasst, ist halt manchmal so. Und dann hatte ich Dates, bei denen ich mir schon mittendrin gedacht habe: Verdammt! Du hast in dieser Person etwas gesucht, was dir im Grunde selbst fehlt: (Selbst)liebe, innere Ruhe, klare Ziele, Gelassenheit. Hätte ich mich mal lieber selbst gedatet!
Das perfekte Date (mit dir selbst)
Schön und gut, aber wie macht man das eigentlich, sich selbst zu daten? Nun, das weißt du im Grunde selbst am besten: Wo gehst du gerne was essen, wo etwas trinken? Was wolltest du immer schon einmal machen, aber kamst bisher nicht dazu?
Ein Plan könnte so aussehen:
- Geh etwas Schönes bei deinem Lieblings-Italiener essen.
- Nimm dir die Zeit zu genießen, nicht einfach nur am Handy zu verdaddeln.
- Geh danach auf ein Bierchen oder ein anderes Getränk in eine schöne Kneipe. Hab hier keine Angst: Normalerweise wird dich niemand bewerten, wenn du alleine kommst und auch alleine bleibst.
- Nimm dir Stift und Notizblock mit. Oder verwende die Notizen-App auf deinem Smartphone.
- Aber nimm dir wirklich ein paar Momente Zeit, ein paar Gedanken niederzuschreiben. Entweder ziellos – die Gedanken kommen dann beim Schreiben – oder du beantwortest ein paar Fragen zu dir selbst.
- Zum Beispiel: Warum bin ich eigentlich gerade hier und nirgendwo anders? Ich habe noch gar keine Ahnung, wohin ich als nächstes reisen soll – wo sieht es auf Google Maps denn schön aus? Wie ging es mir eigentlich in letzter Zeit und hat das alles Sinn, was ich tue? Was könnte ich ändern?
- Optional: Gehe zu einer Abendveranstaltung. Besuche ein Konzert, gehe ins Kino oder Theater. Alleine? Ja, kommt einem im ersten Moment komisch vor. Aber am Ende ist man ja ohnehin meist auf das fokussiert, was vorne passiert, unerheblich, ob man mit jemandem da ist oder nicht.
- Wenn du dich einsam fühlst, halte ein Schwätzchen mit dem Personal oder schreibe Freunden, vielleicht solchen, die du schon lange nicht mehr gesehen hast.
- Wieder zuhause: Nimm dir ein gemütliches Bad, leg dich auf die Couch, sinniere ein bisschen – oder gucke einen schönen Film auf dem Fernseher statt im Kino, wenn du knapp bei Kasse bist.
Also, nur um das klarzustellen: Du darfst und sollst bitte solche Sachen auch mit anderen Menschen machen. Wichtig für dein eigenes Date ist eigentlich nur, dass du dir etwas Gutes tust und wenigstens eine Viertel- oder halbe Stunde mal für dich selbst nimmst, wirklich nachdenkst und dir deine Gedanken aufschreibst.
So einsam ist dieser einsame Wolf mitunter gar nicht
Um das Anfangsklischee mit dem einsamen Wolf am Tresen noch einmal aufzugreifen: Es war nicht geplant, aber irgendwann habe ich das dann selbst einmal ausprobiert. Ich wollte in diese Craftbeerbar, aber niemand wollte mit. Ich ging hinein, suchte mir einen schönen Platz, unterhielt mich ein wenig mit dem Kellner, der aus Argentinien kam, trank ein sehr leckeres Bier, kam ins Nachdenken und begann mit meiner besten Freundin um den Sinn des Lebens zu chatten.
Mir fiel ein anderer Freund ein, mit dem ich vor langer Zeit einmal im gleichen Laden war, und schickte ihm ein Foto von meinem Bier – er antwortete recht schnell und freute sich, dass ich mich gemeldet hatte. Der Kellner setzte sich für einen kurzen Moment zu mir, weil wenig los war, und gab mir einen Schnaps aus.
Irgendwann zückte ich mein Smartphone und machte einen Brain Dump: Die Gedanken, die mir durch den Kopf schossen, einfach runterschreiben. Mir kamen ein paar gute Ideen, wo ich als nächstes mit dem Rad hinfahren könnte. Und warum ich eigentlich so geworden bin, wie ich bin. Durchaus deep.
Ich zog noch eine Kneipe weiter, die beinahe verwaist war, setzte mich an den Tresen, bestellte ein Pale Ale und kam ein wenig mit der Besitzerin ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass wir vor einem Jahr das gleiche Festival besucht hatten – auch wenn sie bestimmt zwanzig Jahre jünger war als ich. Auf einmal kam aus den Untiefen der Kneipe ein alter Bekannter von mir zum Vorschein, der mich grüßte und sagte, er wäre in einem Nebenraum mit seiner Brettspielgruppe. Ich folgte ihm kurz, grüßte die anderen, sah ein wenig zu und wurde eingeladen, selbst einmal vorbeizukommen.
Wieder zuhause streamte ich “Gravity” auf dem Fernseher, zu der Zeit mein Lieblingsfilm, weil sich dort eine selbstunsichere Astronautin über ihre Ängste hinwegsetzen muss, um am Leben zu bleiben.
Irgendwann schlief ich auf der Couch ein und wachte am nächsten Morgen glücklich wieder auf. Ich hatte mich an diesem Date mit mir selbst keine Sekunde alleine gefühlt, ich hatte leckeres Bier getrunken, tolle Menschen getroffen (wenn auch nur flüchtig), einen schönen Film gesehen, mich ein Stück weiter besser kennengelernt und tolle Urlaubspläne geschmiedet – die ich ein paar Wochen später tatsächlich in die Tat umsetzte.
Es kann ganz schön beängstigend sein, sich selbst zu daten, oder sagen wir lieber: aufregend. So ähnlich wie ein echtes Date auch. Nur dass wir beim Date mit uns selbst jemanden treffen, mit dem wir noch sehr viel Zeit verbringen werden, ob wir wollen oder nicht. Es tut gut, diesen Jemand etwas besser kennenzulernen.