Bei vielen Menschen kreisen die Gedanken abends noch um die Arbeit – obwohl eigentlich Feierabend ist. Aber warum ist das so?
Stresst uns die Technik, die uns ständig erreichbar macht? Nur zum Teil. „Eigentlich sollte ein separates Diensthandy es sogar leichter machen, von der Arbeit abzuschalten – aber es gelang vielen trotzdem nicht“, berichtet Marcel Kern, Professor für Arbeit und Gesundheit an der Ruhr-Universität Bochum, von einer Studie mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Kern forscht schon länger gemeinsam mit Prof. Sandra Ohly von der Universität Kassel an dem Thema.
Abschalten: Zu viele unerledigte Aufgaben
Das eigentliche Problem für viele sind unerledigte Aufgaben, berichtet er. Viele greifen dann zu den digitalen Endgeräten, weil sie die Gedanken um die unerledigten Aufgaben im Kopf kreisen und sie nicht abschalten können.
Die ständige Erreichbarkeit ist also nur ein Teil des Problems. Diensthandys und -mails sollten abends aus oder stumm geschaltet sein, raten die Wissenschaftler. Aber selbst, wenn der Arbeitgeber offensiv beim „Feierabend haben“ unterstützt, kommen viele Menschen nicht zur Ruhe.
Kern nennt ein Beispiel: „Volkswagen hat abends seine Mailserver abgeschaltet. Das führte dazu, dass die Leute E-Mails in ihrem Postausgang aufbewahrten oder sogar über ihre privaten Accounts verschickten“, erzählt er.
Klare Ansagen helfen
Wesentlichen Einfluss haben das Wohlbefinden der Mitarbeitenden im Feierabend haben hier die Führungskräfte: Wenn die spätabends noch Mails verschicken, glauben viele Beschäftigte, sie müssten auch noch antworten bzw. reagieren. Dabei, so Kern, ist das gar nicht immer die Erwartung.
Auch dazu startete er ein Experiment: In einer Schulung vermittelte er 23 Führungskräften eines Unternehmens, klare Ansagen und feste Vereinbarungen zur Erreichbarkeit mit dem Team zu treffen. Und zu erklären, warum manche Mail noch spätabends kommt – etwa, weil es so leichter ist, noch Zeit mit Familie und Kindern zu verbringen.
Vor und sechst Wochen nach der Schulung befragten Kern und sein Team die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Führungskräfte.
Ein Drittel will erreichbar sein
„Die Ergebnisse waren eindeutig“, resümiert Marcel Kern. „Einige Zeit nach der Intervention fühlten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich besser. Die Führungskräfte waren davon überrascht. Ihnen war gar nicht bewusst gewesen, wie sich ihr Verhalten ausgewirkt hatte.“
Bei der ganzen Diskussion muss man aber auch bedenken, dass die Nutzung von Technologien am Abend auch gewinnbringend sein kann. „Manche Menschen möchten auch, dass Beruf und Privatleben verschmelzen“, berichtet Marcel Kern. In Deutschland trifft das auf ein Drittel der Arbeitnehmerinnen und -nehmer zumindest teilweise zu.
Ein Drittel fühlt sich unter Druck
Bemerkenswert: Zwei Drittel wünschen sich eine klare Trennung von Beruf und Privatleben. In der Praxis gelingt diese Trennung aber nur bei einem Drittel. Der Rest muss auch außerhalb der Dienstzeiten für den Arbeitgeber erreichbar sein – oder empfindet das zumindest so.
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