Ist man mit 50 Jahren plötzlich zu alt, den Job zu wechseln? Viele Menschen haben da eine Schranke im Kopf, die längst keine Gültigkeit mehr hat. Wer den beruflichen Neuanfang noch einmal wagen will, sollte aber ein paar Dinge berücksichtigen.
„Ach, weißt Du, ich bin jetzt 53. In meinem Alter ist ja ein Jobwechsel nicht mehr so einfach, wenn nicht sogar unmöglich“, sagt Markus.
Das Gespräch darüber, wie es ihm gerade so geht und was sein 18-jähriges Ich heute wohl über ihn sagen würde, ist schnell in die Richtung Job gegangen. Offenkundig ist er nicht so richtig glücklich und zufrieden damit.
Aber ist es wirklich so schwer, mit Anfang 50 oder später noch mal die Arbeitsstelle zu wechseln?
Der Glaubenssatz ist falsch
„Ich habe in den vergangenen Jahren über 1.000 Klientinnen und Klienten bei ihrer beruflichen Neuorientierung und Bewerbung begleitet – schätzungsweise die Hälfte von ihnen war älter als 50“, schreibt der Karriere- und Business-Coach Bernd Slaghuis in einem langen Text zum Thema bei Xing („Jobwechsel Ü 50: Wie Sie mit Ihrer Erfahrung treffsicher punkten“). „Doch der fest in ihren Köpfen verankerte Glaubenssatz, mit über 50 keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen, der ist definitiv falsch“, so Slaghuis weiter.
Auch bei der Bundesagentur für Arbeit hält man dagegen, dass der Jobwechsel mit Anfang 50 angeblich nicht mehr möglich sei.
Sicher: „Nach wie vor bestehen in den Köpfen vieler Arbeitgeber Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Diese Vorurteile zu widerlegen und abzubauen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, antwortet Pressesprecher Christian Ludwig auf meine Anfrage. Aber: „Prinzipiell sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 50 Jahre gefragte Arbeitskräfte.“
Zumal wir heutzutage alle immer länger arbeiten und der Fachkräftemangel in einigen Branchen heftig durchschlägt.
Bewerbungsphase dauert länger
Gleichwohl gilt es einige Punkte zu beachten: So gilt, dass die Bewerbungsphase mit höherem Lebensalter schon mal länger dauern kann. Bis zu zwölf Monate kann sich das ziehen, schreibt Karriere-Coach Slaghuis.
Auch gilt es, genau zu wissen, wie man gegenüber den jüngeren Bewerberinnen und Bewerbern punkten kann, die frisch von der Hochschule kommen. Die kennen im Zweifel den neuesten „heißen Shit“ der Branche und sind im ersten Moment auch deutlich günstiger für den künftigen Arbeitgeber.
Da ist es schon sehr ratsam, die eigenen Stärken und Fähigkeiten zu kennen, die dem neuen Unternehmen Vorteile verschaffen.
Genau da aber liegt der Hase häufig im Pfeffer: Viele Karriere-Coaches haben lange Texte darüber verfasst, dass die größte Hürde oftmals die Bewerberinnen und Bewerbern selbst sind.
„Gefühlt jeder zweite Klient 50+ sucht von mir im Coaching die Bestätigung dafür, ein besonders schwieriger Fall zu sein und im Arbeitsmarkt ganz sicher niemals wieder eine Chance zu bekommen. Ein Zeugnis, das ich aus Überzeugung und Erfahrung niemandem ausstellen kann“, schreibt etwa Business-Coach Slaghuis.
Selbstvertrauen aufbauen und den Frust überwinden
Sprich: Es gilt zu erst einmal, das eigene Selbstvertrauen zu stärken und sich bewusst zu machen, was man eigentlich kann. Und was man will!
Das beschreibt auch der Personaldienstleister Adecco als große Herausforderung: „Ein selbstbewusstes Auftreten und das Wissen um Ihre Erfolge und Ihre Erfahrungen sind der Schlüssel zum Erfolg“, heißt es dort („Neuer Job mit 50 – eine gute Idee?“).
Wichtig ist dabei, in der Bewerbung und auch im persönlichen Gespräch fundierte und nachvollziehbare Gründe für den angestrebten Jobwechsel benennen zu können: Wurden Sie von Ihrem Arbeitgeber für Ihre Arbeit kritisiert? Hatten sie schwierige Kollegen? Was genau ist der Grund?
Dabei sollte man auf keinem Fall lästern. Sondern vielmehr zum Ausdruck bringen, dass man bereit ist, an sich zu arbeiten und gern aufsteigen will.
„Daher gilt unabhängig vom Alter, ob mit 25 oder beim Jobwechsel mit 50: Ein berufliche Veränderung ist vor allem dann sinnvoll, wenn Sie auf ein Ziel hinarbeiten. Er sollte jedoch nie aus einem Fluchtreflex heraus stattfinden“, ist dazu beim Job-Portal Karrierebibel zu lesen („Jobwechsel mit 50: Tipps und gute Gründe“).
Bundesagentur für Arbeit kann helfen
Bei dieser „Selbstbewusstwerdung“, wenn man es so nennen will, kann die Bundesagentur für Arbeit helfen: Sie bietet persönliche Beratungsgespräche speziell für Menschen an, die schon im Berufsleben stehen. Die Arbeitsagentur hilft auch dabei, gegebenenfalls notwendige Qualifikationen zu organisieren oder aufzufrischen.
Andere wählen den Weg über einen professionellen Berufs- und Karriere-Coach. Und wiederum andere wenden sich offensiv an Headhunter, die das durchaus zu schätzen wissen. Dann sollte man allerdings schon einigermaßen wissen, was man kann und was man will.
Wer aber noch überlegt und erst einmal nur im Netz stöbern will: Unter dem Titel „NewPlan“ finden sich auf den Seiten der Arbeitsagentur eine Reihe von kurzen und langen Tests.
Mit einfachen Fragen kann man herausfinden, was die eigenen Stärken und Schwächen sind und wo noch Qualifizierung gut wäre.
Entscheiden, was einem wichtig ist
Oder man macht es ganz radikal: Martin schmiss mit 49 Jahren seinen Job als Berater, um in die frisch gegründete Bäckerei seiner Frau einzusteigen. Beide waren keine gelernten Bäcker, also fachfremd. Aber der Laden läuft inzwischen richtig gut, zwei Angestellte sind inzwischen dazugekommen (die ganze Geschichte von Martin hier bei 7vierzig.de).
„Ich würde jedem raten, der frustriert in seinem Job ist und über einen Wechsel nachdenkt: Erstmal raus!“, sagt er heute rückblickend auf seinen harten Schnitt. Angst und Frust seien einfach nur schlechte Berater. „Du musst doch erstmal den Kopf frei bekommen“, sagt er.
Das muss man sich natürlich leisten können, mag jetzt der eine oder andere einwenden.
Andererseits: Genauso muss man es sich auch leisten können, weiter frustriert im alten Job zu verbleiben und so mit großer Wahrscheinlichkeit die eigene Gesundheit und das persönliche Glück zu ruinieren.
So gesehen sollte der Einwand wohl viel eher lauten: Man muss es sich leisten können, den Wechsel nicht zu vollziehen.
Peter Stawowy
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