Mit dem Camper quer durch Europa, Segeltörn über die Weltmeere, mit dem Porsche durch die Alpen – alles spannend, aufregend, inspirierend. Mir genügen ein paar Nächte in der Brandenburger Pampa, um meine Gedankenwelt zu sortieren.
Männer im mittleren Alter müssen oftmals eines sein: kreativ. Kreativ beim Finden von Lösungen für ihre Probleme.
Wenn aus dem asphaltierten, geradlinigen Leben auf der Überholspur plötzlich ein Schotterweg mit schlecht einsehbaren Kurven und überraschenden Kehren wird, müssen vielleicht andere Richtungen eingeschlagen oder neue Straßen gen Zukunft gesucht werden. Vielleicht braucht’s auch einen SUV.
Oder anders gesagt: Für jede Herausforderung gibt‘s den richtigen Weg. Aber den muss man erst einmal finden. Mir hilft dabei eine kleine Auszeit im Brandenburger Nirgendwo, um das Kopfchaos zu sortieren, die herumrollenden, bunten Murmeln in Schubladen zu stecken und herauszufinden, was ich eigentlich will.
Von mir, vom Leben, von allen um mich herum.
Tipps vom „Coach“
Vor ein paar Jahren verließ eine Freundin ihren Mann. Mit der Freundin habe ich keinen Kontakt mehr, mit ihrem Ex dagegen schon. Der Lauf der Dinge führte zu einer richtig guten Freundschaft. Er nennt mich häufig und aus Spaß Coach. Vermutlich, weil ich immer einen „schlauen“ Tipp für jede Lebenslage parat habe.
Und bei unseren unzähligen Wanderungen oder Kneipen- und Konzertbesuchen sprachen wir oft genug über vergangene Beziehungen, übers Scheitern (zum Beispiel unserer Beziehungen), über Perspektiven, Wünsche, Träume und…eben die Probleme von Männern im mittleren Alter.
Es hilft uns, Lösungen zu finden und gedankliche Sackgassen aufzulösen. Ich kann dir nur empfehlen: Wenn dich etwas beschäftigt, sprich darüber.
Ein paar Nächte im Wald
Zumindest für mich, der (dummerweise) sehr gerne über alles Mögliche nachdenkt, ständig kritisch hinterfragt und kontinuierlich irgendwas analysieren muss, ist auch etwas anderes enorm hilfreich.
Besagter Kumpel und ich verbringen einmal im Jahr ein paar Nächte im Wald. Vielleicht inspiriert durch „7 vs. Wild“ und diversen Prepper-Videos bei YouTube kam in uns irgendwann der Wunsch auf, auch zwischen Bäumen schlafen und erleben zu wollen, wie sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen.
Wir kauften uns schließlich Tarps, eine Hängematte (für mich), eine Luftmatratze (für ihn), Kocher und allerlei Zubehör für Outdoor-Action. Und dann ging’s an einem schönen Sommertag los…
Von Anfang an stand fest: Wir übernachten nicht in Hotels, in Pensionen oder auf Campingplätzen, schleppen im Rucksack alles mit, was wir benötigen (also auch Essen und Trinken) und suchen uns weniger belebte Orte für die entspannte Suche nach Schlafgelegenheiten.
Für mich war auch klar: Es geht in mein Lieblingsbundesland Brandenburg. Dort sind viele Gebiete dünn besiedelt, es gibt genügend Seen zum Baden und eine wunderbare Natur zum Erholen.
Existenzielle Sorgen
Eine entscheidende Erkenntnis mit einem „wow“-Gefühl kam einige Tage nach unserer ersten Tour.
Während wir von Badesee zu Badesee wanderten, drehten sich unsere Gedanken gar nicht allzu sehr um unsere „Großstädter-Luxusprobleme“. Es waren eher die existenziellen Sorgen im Hier und Jetzt: Wir benötigten Wasser zum Trinken und zur Zubereitung unseres Essens – aber für drei Tage konnten wir nicht so viel mit uns tragen.
Also ging es ständig um Beschaffung, Beschaffung, Beschaffung von Trinkwasser (und Bier).
Und: Da war auch die kontinuierliche Suche nach dem richtigen Ort zum Schlafen – abseits der Zivilisation. Die Alltagsprobleme blieben im Alltag, und genau das tat dem Kopf unglaublich gut.
Kopf leer
Wieder zu Hause angekommen, konnte ich so manche Schwierigkeiten mit Abstand betrachten und neue Lösungsansätze aufspüren.
Auch dieses Jahr klappte das wieder ganz hervorragend: Das Übernachten im Wald ist für mich eine alle Sinne betreffende Ablenkung, die Platz schafft, um mit der Realität wieder besser klarzukommen.
Kurioserweise funktioniert das im regulären Urlaub nicht ganz so gut: In dem habe ich in der Regel keine wirklich wichtigen Sorgen (für Essen, Trinken, Schlafen ist schließlich gesorgt) und damit offenbar noch genügend Raum, meine Lebensprobleme nicht komplett auszublenden.
Und so bekomme ich sie nicht vollständig aus dem Kopf.
Selbstgemachte Probleme
Alltagsprobleme aus dem Hirn schmeißen, indem man sich freiwillig neue Probleme schafft?
Das klingt seltsam, aber ich sehe diese Schwierigkeiten eher als Herausforderungen, an denen ich wachsen kann. Ich entdecke neue Lösungen während der „Survival-Tour“, die mir helfen, auch Lösungen fürs „echte Leben“ zu finden.
Und natürlich sind es wunderbare Erlebnisse: Wir sitzen mitten im Wald oder am See, hinter uns das aufgebaute Nachtlager, vor uns der Kocher mit unserem Essen. Wir verschwenden keine Gedanken daran, was wir in einigen Tagen auf Arbeit erledigen müssen. Oder was auch immer.
Wir sind in der Gegenwart und offen für alles, was kommt. Was alles passierte? Das ist viel zu viel, um es aufzuzählen.
Begib dich in Gefahr!
Mein Ratschlag an dich: Bringe dich in nicht alltägliche Situation, sammele völlig neue Eindrücke, begib dich in „gefährliche“ Situationen. Also gefährlich im Sinne aufregender Herausforderungen, die dich dazu zwingen, lösungsorientiert zu handeln.
Ja, vielleicht ist das für dich eine Camper-Tour durch Europa oder eine Segeltörn – gut möglich. Vielleicht wartet dein Abenteuer zum Sortieren der Gedankenwelt aber auch schon vor der Haustür…
Sven Wernicke
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