„Die Geschichte hat wahnsinnig viel in Bewegung gebracht“, schwärmt Steffen. Er spricht von der Ehe-Wunschbox, die er vor einigen Wochen im gemeinsamen Wohnzimmer aufgestellt hat.
Steffen und Claudia sind seit 28 Jahren ein Paar, vor 13 Jahren haben sie geheiratet. Gemeinsam mit der 11-jährigen Tochter bewohnen sie ein schönes Eigenheim in einer Vorstadt von Stuttgart.
Beide hätten schon im Vorfeld gesagt, dass sie ein glückliche Ehe führen – und trotzdem wollten sie etwas für die gemeinsame Beziehung tun.
Wünsche und Sehnsüchte
Die Idee hinter der Ehe-Wunschbox ist simpel: Die Kiste mit Briefschlitz wird von beiden Partnern gefüttert. Beide können Wünsche an den anderen und die Beziehung auf vorbereitete Zettel schreiben und in die Box werfen.
Steffen hat die Kiste selbst gebastelt. 14 Tage vor dem lang geplanten, gemeinsamen Pärchen-Wochenende war das. „Okay, basteln ist jetzt nicht meine größte Stärke“, lacht er.
„Wir hatten ein Wellness-Hotel gebucht und wollten die Kiste dort aufmachen“, berichtet der 46-Jährige. „Aber daraus wurde erstmal ist nichts: Unsere Tochter wurde krank.“
Die Nicht-Öffnung hatte für Steffen einen unerwarteten Effekt: Mit jedem Tag nach dem eigentlichen Tag X wuchs in ihm der Wunsch, die Kiste einfach zu verbrennen.
Gemeinsame Werte
„Ich mache gerade sehr viel innere Arbeit“, erzählt er. „Und mir wurde immer klarer, dass ich manche Erwartung aufgeschrieben habe, mit der ich eigentlich bei mir anfangen darf.”
Doch zum Verbrennen kam es nicht. Einige Tage nach dem ausgefallenen Wochenende nahmen sie sich ein Herz: Gemeinsam öffneten sie die Kiste kurz vor dem zu Bett gehen.
„Wir haben im Vorfeld sehr genau darauf geachtet, dass alles, was da drin ist, erstmal ‚nur’ unverbindliche Wünsche sind“, erzählt er. „Also dass niemand verpflichtet ist, diese auch zu erfüllen.“
Die Zettel sollten schlicht Ausgangspunkt für das Gespräch sein. „Wir haben dann die Zettel gemeinsam gruppiert und priorisiert. Fast so wie im Büro, wenn man sich für das nächste halbe Jahr ausrichtet“, lacht er.
Rund 50 Zettel
„Erst einmal war für uns total toll, wie viele Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen wir hatten – und das nach 28 Jahren Beziehung!“, schwärmt Steffen rückblickend.
Gut 50 Zettel hatten sich in der Box eingefunden. Claudia hatte eher sehr praktische Dinge aufgeschrieben, Steffen war eher philosophisch unterwegs: „Manchmal hatte der Zettel bei mir kaum gereicht“, sagt er.
Für Claudia aktuell das größte Thema: Sie wünscht sich viel Geduld von ihrem Partner, Umarmungen und Verständnis.
„Du arbeitest gerade sehr viel an Dir und das tut Dir ja auch gut. Das sehe ich”, sagte sie an dem Abend in Richtung Steffen. „Aber ich bin nicht Du und ich komme da manchmal einfach nicht mit. Es ist mir wichtig dass jeder von uns seinen Weg gehen darf – jeder in seinem eigenen Tempo.“
Sexualität nachrangig
„Sexualität hatte ich völlig vergessen“, lacht Steffen, direkt darauf angesprochen. „Das Thema spielt für mich gerade nicht so eine große Rolle.“
Er hatte unter anderem den Wunsch notiert, noch einmal eine gemeinsame Auslandserfahrung zu machen, etwa für einen Zeitraum nach Italien oder Spanien auszuwandern. „Das haben wir in unserer Beziehung schon zweimal gemacht, das würde ich gern noch einmal wiederholen“, sagt er. „Jetzt habe ich es schon mal angekündigt.“
Auch hatte er gleich mehrere Zettel formuliert in die Richtung, dass sie sich Zeit für sich nimmt und auf sich achtet, auch was die innere Arbeit an sich selbst betrifft. Auch ihm war aufgefallen, dass sich da ein Ungleichgewicht in der Beziehung aufgetan hatte. „Das ist viel gesünder für eine Beziehung, wenn jeder auch auf sich selbst achtet“, sagt er.
Wertvoller Prozess
Der Abend endete damit, dass jeder drei Zettel vom anderen auswählte, die er künftig besonders berücksichtigen will. Vorsorglich sind die Zettelchen nun in den Nachttischen deponiert und werden ab und an – zur Erinnerung an die Wünsche des anderen – hervorgeholt.
Und, der Beschluss wurde noch am gleichen Abend gefasst: Die Kiste bleibt stehen. „Wir werden das nun regelmäßig machen”, sagt Steffen.
„Das Inhaltliche, was da steht, ist die eine Sache“, fasst er zusammen. „Aber viel wertvoller ist, dass man sich überhaupt die Zeit nimmt. Dass jeder ein paar Tage über die Beziehung nachdenkt und dann beide darüber sprechen.“
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